PNP 15.01.2016
Abschied von bequemen Illusionen
Generalleutnant a.D. Kersten Lahl zu Gast bei Neujahrsempfang der Reservisten - Islamistischer Terror militärisch nicht zu bezwingen

Beim Gastempfang: (v.links) Hans May vom Regionalstab für territoriale Aufgaben, stellv. Landesvor-sitzender Werner Gebhard, die stellv. Landräte Edeltraud Plattner und Klaus Jeggle (Passau), MdL Reserl Sem, Generalleutnant a.D. Kersten Lahrl, Bezirksvorsitzender Josef Schmid, Kreisvorsitzender Alban Friedlmeier, Kreisorga-Leiter Thomas Bader, 2. Bürgermeister Franz Thalhammer und der scheidende Orga-Leiter Alfred Hainer
Von Viktor Gröll
Bad Birnbach:Mit dem Gastspiel von Generalleutnant a.D. Kersten Lahl haben die Rottaler Reservisten beim Neujahrsempfang im Atrium die Liste herausragender Referenten um einen weiteren prominenten Namen erganzt. In seiner Rede ging er auf die Krisenherde der Welt ein, von der Ukraine über Syrien bis in den Irak oder Mali und Paris. Und Lahl forderte: "Wir brauchen eine Diskussion über sicherheitspolitische Aspekte".
Dialog, Solidarität und Abschreckung
Von aktiver Gestaltung seien Deutschland und Europa weit entfernt, so der Redner. Er warnte davor zu glauben, man könne die Probleme alleine auf nationaler Ebene lösen. "Wir benötigen ein geschärftes Bewusstsein für unsere Werte in Deutschland und Europa". Es sei zwingend einige bequeme Illusionen abzulegen. Die erste lautet: "Russland teilt unsere Werte und beschränkt seine Ambitionen". Dort hersche hochgepuschter Nationalismus vor, dazu kämen veraltete Wirtschaftsstrukturen bei gleichzeitigen enormen Anstrengungen im militärischen Bereich. "Die stehen im eklatanten Widerspruch zur ökonomischen Lage dort", sagte Lahl, selber studierter Diplomkaufmann.
Ein Zwischenziehl habe Putin mit dem Konflikt in der Ukraine erreicht, nämlich die Hinwendung dieses Landes an die Nato zu unterbinden. Er empfahl eine Dreifachstrategie aus Dialog, Solidarität und Abschreckung gegenüber Russland, aber auch Anzreize müsse es geben. "Es muß sich für Russland lohnen, Sanktionen alleine helfen wenig".
Die zweite Illusion: Der islamistische Terror ist militärisch bezwingbar. "Dazu ist die Lage viel zu komplex", so Lahl mit Blick auf ein Gemenge aus Religion, nationalen Interessen, ökonomischen Problemen und mehr. Die deutsche Unterstützung der Luftschläge sei notwendig, auch als Signal. Jedoch seien weder die IS-Strukturen, noch der Kampfeswille alleine aus der Luft zu brechen. An einer Bodenoffensive gehe kein Weg vorbei, doch seien westliche Truppen dafür nicht die richtige Wahl. In der Region lasse sich derzeit aufgrund unterschiedlichster Interessen etwa von Kurden und Türken oder Iranern und Saudis ebenfalls kaum Lösungen finden. Dem Problem sei aber nur beizukommen, wenn ihm die Grundlage in der lokalen Bevölkerung entzogen werde. "Das ist die Lehre, die wir aus Afghanistan mit den Taliban ziehen müssen", sagte Lahl. Und: "Wir brauchen ein Konzept, auch zum Schutz der Minderheiten". Daran fehle es auch in Afrika "an allen Ecken und Enden".

Die musikalische Umrahmung kam vom ""Shanty Cor Inn Salzach Möven" aus dem Landkreis Altötting.
Dritte Illusion sei zu glauben, man könne das Flüchtlingsproblem durch radikale Abschottung lösen. 60 Millionen Menschen seien weltweit auf der Flucht, meist unter erbärmlichen Bedingungen."Vieles spricht dafür, daß wir nur die Vorboten einer noch größeren globalen Bewegung erleben", meinte er. Die derzeitige Debatten hätten wenig mit dem Kern der Sache zu tun. Nebenwirkung dabei: Der Wunsch von starken und einigen Europa werde unterlaufen.
Eine weitere Illusion sei der Glaube an einen sicheren Schutz vor Terror. "Wir leben inmitten einer Hochrisikozone", meinte Lahl. Dabei komme eine Terrorgruppe selten alleine. Neben Islamisten nannte er rechte wie linke Gruppen, Ideologischen Rattenfängern dürfe man keine Chance lassen. "Das wird nach vorkommnissen wie in Köln aber noch schwieriger werden", befürchtet er. Die Aufnahme der Flüchtlinge war in seinen Augen nur ein kleiner Anfang. Die weitaus größere Aufgabe sei es, das Scheitern der Integration zu verhindern.
Auch in Sachen Bundeswehr warnte Lahl vor der Illusion zu glauben, diese müsse alles können, immer und überall. "Der Versuch überall stark zu sein, führt dazu, dass man überall schwach ist", betonte der Generalleutnant. Die Bündnisverteidigung sei wieder denkbar geworden, deshalb müsse hier der Schwerpunkt liegen. Sein größter Wunsch sei eine nationale Sicherheitsstrategie. Er bedauerte in diesem Zusammenhang die Aussetzung der Wehrpflicht, hoffe aber gleichzeitig auf das Engagement der Reservisten, um weiter und tiefer in die Gesellschaft hineinwirken zu können.
Bisheriger Orga-Leiter wurde verabschiedet
Dieses Engagement würdigten zuvor MdL Reserl Sem, die stellv. Landräte Edeltraud Plattner (Rottal-Inn) und Klaus Jeggle (Passau), sowie 2. Bürgermeister Franz Thalhammer. Kreisvorsitzender Alban Friedlmeier kritisierte in seinem Grußwort die Absetzung der deutschen Reservistenmeisterschaft in Roth bei Nürnberg. Monatelang hätten sich Rottaler-Reservisten hart darauf vorbereitet, wenige Tage zuvor sei das Ereignis abgesagt worden, weil die Kaserne als Flüchtlingsunterkunft eingeteilt wurde. Zum Datum der Meisterschaften hätte aber noch niemand darin gewohnt. Weitere Grußworte sprachen der stellv. Kommandeur des Regionalstabes für territoriale Aufgaben, Hans May, der Bezirksvorsitzende des Reservistenverbandes Josef Schmid und der stellv. Landesvorsitzende Werner Gebhard. Beim Neujahrsempfang wurde der langjährige KreisOrga-Leiter Alfred Hainer in den Ruhestand verabschiedet. Sein Nachfolger ist Thomas Bader, in Bad Birnbach noch bestens bekannt von seiner früheren Tätigkeit auf dem Bella Vista Golfpark. Die musikalische Umrahmung kam vom ""Shanty Cor Inn Salzach Möven" aus dem Landkreis Altötting.